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Aus der Geschichte des "Seraphischen Liebeswerkes”


So wurde das "Seraphische Liebeswerk”
Am Anfang steht ein Name, der Name des bayrischen Kapuzinerpaters Pater Cyprian Fröhlich (1853 - 1931).

Pater Cyprian brauchte nicht lange zu warten, denn bald brachte Fräulein Barbara Hartmann, Vorsteherin des Dritten Ordens, ein Mädchen zu ihm, das in Gefahr war, seelisch und körperlich zugrunde zu gehen, und sagte zu ihm: "Der göttliche Kinderfreund hat uns den Weg zum sozialen Ziele des Dritten Ordens gezeigt. Retten wir dieses Kind!" - "Mit Freuden", antwortete Pater Cyprian, "aber woher nehmen wir das Geld? Unsere Ordenskasse verfügt nicht über die nötigen Mittel." Die Vorsteherin des Ehrenbreitsteiner Dritten Ordens wußte Rat: "Opferfreudige Damen haben sich bereit erklärt, das Fehlende beizusteuern." "Gut, dann aber rasch!", war die prompte Antwort Pater Cyprians.




Dies geschah am 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn 1889. Es war die eigentliche Geburtsstunde des "Seraphischen Liebeswerkes". Das Mädchen wurde auf Kosten der Drittordensgemeinde in das Waisenhaus nach Dernbach gebracht. Es dauerte nur kurze Zeit, da brachte Fräulein Hartmann zwei Jungen, die man aufgegriffen hatte, und die in Gefahr waren, zu verkommen. Ohne lange zu überlegen, griff Fräulein Hartmann zur Feder und schrieb an den Hochwürden Herrn Direktor der Knabenrettungsanstalt in Marienhausen bei Assmannhausen/Rhein folgenden Brief: "Im Namen des Hochwürden Herrn Pater Cyprian, Ofm. Cap., sowie im Auftrag des Dritten Ordens erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, daß wir uns die Aufgabe gestellt haben, mit der Hilfe Gottes, von den Opfern, die von den Tertiaren gespendet werden, arme Kinder zu erziehen, die unter den jetzigen Umständen gewiß verloren gingen.

Da es auf jeden Fall besser ist, diese armen Kinder an einen ihnen fremd Ort zu bringen, so fragt Herr Pater Cyprian ergebenst bei Ihnen an, ob Sie, Hochwürdiger Herr Direktor, diese in Ihre Arbeit aufnehmen wollten. Wir haben bereits seit Allerheiligen ein Mädchen in einer klösterlichen Erziehungsanstalt.

Es ist dies die Schwester von zwei Knaben, die wir für Sie in Aussicht haben. Würden Sie die Güte haben, uns Ihre gepflegte Mitteilung hierüber zukommen zu lassen? Sie würden dem Dritten Orden einen großen Liebesdienst erweisen, wenn Sie uns Ihre zusagende Einwilligung recht bald senden und dabei gütigst berechnen wollten, daß unsere Mittel sehr bescheiden sind und wir für die Zukunft uns noch um mehr Kinder bemühen wollen." Die Idee wurde von den Leuten angenommen und von den verschiedensten Seiten flossen die Gaben.
Diesen Brief könnte man als die eigentliche Gründungsurkunde
des "SERAPHISCHEN LIEBESWERKES" bezeichnen.


In verschiedener Gestalt trat das Elend der Kinder hilfesuchend vor den neuen Kinderfreund und seine Drittordensgemeinde in Ehrenbreitstein. Es wurde nicht lange gefragt und diskutiert, man tat etwas, man half; denn die Menschen, die sich um P. Cyprian versammelt hatten, waren überzeugt, in den notleidenden Kindern trat Christus, der Herr selbst an sie heran und bat um Hilfe und Obdach. Die Worte Jesu erreichten nicht nur das Ohr, sondern das Herz: Und es war wie ein Wunder, je mehr man half um so reichlicher flossen die Spenden und Gaben. Noch war das, was da zu werden und zu leben begann, kein Verein, keine Organisation mit Statuten und Paragraphen, es war ein lebendiges Tun. Die Seele dieses Ganzen war die Liebe zu Gott und zu seinen in Not geratenen Kindern. Hier ein Zitat eines Mannes, der das Wesen des Seraphischen Liebeswerkes so sieht: "Ja, diese göttliche Liebe, diese höchste seraphische Liebe ist des Seraphischen Liebeswerkes Kern und Stern.



Ohne sie stirbt das Werk rasch und unfehlbar." Dieses Wort "seraphisch" weist auf den Ursprung dieses Werkes hin, auf den Orden, des "seraphischen Heiligen", den heiligen Franziskus von Assisi. Es wurde immer notwendiger, je größer die Zahl derer wurde, die sich dem "Seraphischen Liebeswerk" anschlossen und es finanziell unterstützten, daß dieses Werk eine bestimmte Form erhalten mußte. Weder P. Cyprian noch das Kapuzinerkloster in Ehrenbreitstein konnten die Verwaltung der Gelder übernehmen. So wurde ein Verein geschaffen in starker Anbindung an den Kapuzinerorden (P. Provinzial ist Präsident des "Seraphischen Liebeswerkes"; P. Cyprian und der Anstaltsdirektor Müller bildeten aus Mitgliedern des Dritten Ordens und Männern und Frauen, die diesem Werk nahe standen, ein Kuratorium oder Komitee, dem die Führung der Liebeswerkgeschäfte und die antwortung dafür übertragen wurde (heute: der Vorstand).

Das "Franziskusblatt" war die erste Vereinsvorschrift. Weil man sich aber nicht nur an die Mitglieder des Dritten Ordens wenden wollte, sondern an alle Kreise der Bevölkerung, dachte man an die Herausgabe eines eigenen Blattes.

Am 1. Januar 1890 erschien zum ersten Mal die Monatszeitschrift des Seraphischen Liebeswerkes der "Seraphische Kinderfreund".

Das Werk P. Cyprians fand auch volle Anerkennung durch den Diözesanbischof von Trier, Dr. Michael Felix Korum.

Es wird uns berichtet, als P. Cyprian zur Audienz zugelassen wurde und dem Bischof seine Pläne erörterte, sprang der sozial eingestellte Bischof vor Freude auf und machte sich die Worte des heiligen Petrus zu eigen, die dieser an der "Schönen Pforte" des Tempels sprach:

"Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich aus der Tiefe meines Herzens - meine bischöfliche Approbation und meinen bischöflichen Segen. Es zeigte sich bald, daß es keine leeren Worte waren, die Bischof Michael Felix Korum zu P. Cyprian sprach.

General des Kapuzinerordens und Päpste segnen das Werk von P. Cyprian


Große Förderung erhielt das "Seraphische Liebeswerk" auch von P. Bernard von Andermatt, dem Generalminister des Kapuzinerordens.
Er war ein zeitaufgeschlossener Mann mit einem Herzen, das für die Not der Kinder offen war. Zeitlebens blieb er ein großer Gönner und Förderer des Werkes von P. Cyprian.

Am 7. März 1891 schrieb er an P. Cyprian: "Ihre werte Zuschrift vom 6. Januar letzten Jahres über den Zweck und die Einrichtung des Seraphischen Liebeswerkes haben Wir mit großem Interesse gelesen und geben Ihnen die Versicherung, daß uns die Zwecke dieses “echt seraphischen Liebeswerkes” nicht bloß einleuchtet, sondern uns innig gefreut haben, weil durch dieselben das zeitliche Wohl und das ewige Heil so vieler armer Kinder auf die edelste Weise gefördert und Gottes Ehre vermehrt wird.

Da die Kinder Gottes Lieblinge sind, und alle diejenigen, die sich um Gottes willen eines armen Kindes annehmen, sich der besonderen Liebe und Freundschaft Gottes teilhaft machen, so muß man gewiß allen jenen Glück wünschen, die am schönen und großherzigen Liebeswerke sich beteiligen...
Sie dürfen versichert sein, daß Wir aus ganzem Herzen Ihnen und allen Teilnehmern, besonders denen des Dritten Ordens, Unseren väterlichen Segen spenden und Sie auch nach Kräften unterstützen, daß das angefangene Werk auf solide Grundlage gestellt und zum Besten der armen Kinder und der Menschheit fortgeführt wird..., indem Wir immerdar verbleiben Ihr in Christo ergebenster fr. Bernard."

Es glich fast einem Wunder, wie schnell sich das Seraphische Liebeswerk im Volk verbreitete und Unterstützung fand. P. Fulgentius, der Generalprokurator des Kapuzinerordens überreichte Papst Leo XIII. die zwei ersten Jahrgänge des "Seraphischer Kinderfreund", dazu auch einen Bericht über das Werk, seine Aufgaben und Ziele.

Am 15. Mai 1902 erscheint ein weiterer Brief aus dem Vatikan, der die Unterschrift Leos XIII. trägt und den Mitgliedern des Seraphischen Liebeswerkes einen vollkommenen Ablaß erteilt, "wenn sie Weihnachten, Neujahr, Dreikönig, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und am Fest des heiligen Franziskus von Assisi wahrhaft bußfertig beichten, die heilige Kommunion empfangen und eine Kirche oder öffentliche Kapelle von der ersten Vesper bis zum Sonnenuntergang dieser Tage selbst jedes Jahr andächtig besuchen und daselbst Gebete vor Gott darbringen".

Am 3. November 1905 gewährt Papst Pius X. P. Cyprian wie dem damaligen Geschäftsführer des Seraphischen Liebeswerkes, Herrn Stinglhammer, eine Privataudienz.

Er nannte das Werk von P. Cyprian: "Vere opus miraculosum caritatis" - ein wahrhaft wundervolles Werk der christlichen Liebe.
Auch Papst Benedikt XV. sandte ein Jahr vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges “dem Gründer, den Vorständen, Beförderern, Mitarbeitern und Mitgliedern des Seraphischen Liebeswerkes seinen väterlichen Segen”.

Das Volk, die Kirche, aber auch die staatlichen Behörden unterstützen immer stärker das Seraphische Liebeswerk. Ohne den staatlichen Schutz und das Wohlwollen mancher Ministerien und Regierungen in den verschiedenen Distrikten und Ländern hätte das Seraphische Liebeswerk nicht solche Bedeutung erlangt.

Besonders in Bayern, nachdem P. Cyprian in seine Heimatprovinz zurückgekehrt war, und auch dort das Seraphische Liebeswerk gegründet hatte, fand sein Werk große Unterstützung vom bayrischen Königshaus. Fast alle Mitglieder dieses Hauses waren Mitglieder und Förderer des Seraphischen Liebeswerkes.

Ein Name bleibt mit der Gründung des Seraphischen Liebeswerkes in Bayern für immer verbunden. Es ist der Name der "Hochedlen Frau Prinzessin Ludwig Ferdinand, Infantin von Spanien, Maria de la Paz". Sie hat das Protektorat über das Seraphische Liebeswerk übernommen. Wichtiger als alle diese Anerkennungen der Größen der Kirche wie des Staates war für P. Cyprian der Geist, der sein Werk und seine Heime erfüllen sollten:

“Das Leben in unseren Heimen muß soviel als möglich einer guten christlichen Familie nachgebildet sein. Deshalb muß die Erziehung in den Niederlassungen des Seraphischen Liebeswerkes familiär, individuell, auf das einzelne Kind eingehend, mütterlich sein."

P. Cyprian betonte deshalb so stark das mütterliche Prinzip in der Erziehung, weil er in seiner Kindheit dies sehr entbehrt hat.

Schon früh hatte er seine Mutter verloren. Sein Vater erzog die Kinder sehr streng und hart. Zu einer echten, innigen Vater – Kind – Beziehung war es nie gekommen.

Sein Vater verlangte ihm das Versprechen ab: "Alles darfst du werden, nur kein Lehrer und Pfarrer." So studierte P. Cyprian zuerst Mathematik, Technik und Maschinenbau. Erst nach dem Tod seines Vaters wechselte er sein Studium, studierte Theologie, wurde Priester und trat danach in Altötting bei den Kapuzinern ein. Später wird P. Cyprian einmal sagen:

"Ich danke Gott alle Tage für meine liebeleere und freudlose Kindheit, weil sie Gott benützt hat, um vielen Tausenden von Kindern Freude und Hilfe zu schaffen."

Daß dies P. Cyprian gelungen ist, kündet das Seraphische Liebeswerk, das in vielen Ländern verbreitetet ist. Seinen Namen aber wird es nur dann zu Recht tragen, wenn es sich mit all seinen Mitarbeitern auch dem Auftrag seines Gründers verpflichtet weiß.
P. Cyprian kehrt in seine Heimatprovinz zurück

Im Frühjahr 1893 wird P. Cyprian Fröhlich nach Altöttingen in seine Heimatprovinz zurückgerufen. Er ist noch keine zwei Monate dort, da kommt eine Frau zu ihm mit der Bitte, er möge ihr doch helfen, ihr Kind in eine Anstalt unterzubringen. P. Cyprian bespricht mit Pfarrer Waiblinger, dem Pfarrherrn von Altöttingen, das Anliegen der Frau vor, ein Armkinderheim zu gründen. Bald darauf kann der Vorschlag in die Tat umgesetzt werden.

Das Seraphische Liebeswerk in Ehrenbreitstem hilft P. Cyprian finanziell das Haus, das jetzt dem Bierbrauer Riedl gehört, zu erwerben. Es steht in der Neuöttinger Straße 53. Dem ersten Haus, das Eigentum des seraphischen Liebeswerkes geworden ist, wird der Name "St.-Franziskus-Haus" gegeben. Nun war das "Seraphische Liebeswerk" auch in der Heimatprovinz P. Cyprians gegründet mit dem Sitz in Altötting.

Im Juni 1893 trennte der damalige Ordensgeneral der Kapuziner, P. Bernhard von Andermatt das “Seraphische Liebeswerk” in eine norddeutsche und südeutsche Abteilung. Die norddeutsche Abteilung sollte ihren Sitz in Ehrenbreitstein, die süddeutsche Abteilung in Altöttingen haben.


An der Spitze der norddeutschen Abteilung stander der Guardian des Ehrenbreitsteiner Kapuzinerklosters, P. Ludwig, Herr Direktor Müller, der Buchhändler, Herr Schuth und Pfarrer Sengler. Um diese Zeit zählte das "Seraphische Liebeswerk" der norddeutschen Abteilung schon 100. 000 Mitglieder; der "Seraphische Kinderfreund", das Organ des Liebeswerkes hatte eine Auflage von 70.000.


Die norddeutsche Abteilung
Das “Seraphische Liebeswerk” blieb nicht auf die Stadt
Ehrenbreitstein allein beschränkt, vielmehr gründete man von hier aus sogenannte Lokalabteilungen in größeren Städten, wie Köln, Aachen, Krefeld, Kleve, Düsseldorf und Mainz.

Die Zentrale blieb in Ehrenbreitstein. P. Ludwig, der Guardian des Klosters Ehrenbreitstein wurde nun bald als Direktor abgelöst von P. Cyrillus Reinheimer, der als leitender Direktor der norddeutschen Abteilung eingesetzt wurde.

Das erste Haus der norddeutschen Abteilung und die Weiterentwicklung des SLW
Zwanzig Jahre lang mußten die Kinder, die von der norddeutschen Abteilung betreut wurden, in anderen Heimen untergebracht werden. Dadurch war aber ein richtiger Kontakt zwischen den Kindern und dem Liebeswerk sehr erschwert, und dies konnte auch nicht die Lösung auf Dauer sein. Der Wunsch, ein eigenes Heim für die dem "Seraphischen Liebeswerk" anvertrauten Kinder zu besitzen, wurde immer lauter und drängender.

Im Jahre 1908 war es dann endlich soweit. In Arenberg wurde ein dazu geeignetes Grundstück erworden, in einer landschaftlich schönen und ruhigen Lage.

Das erste Haus der norddeutschen Abteilung erhielt den Namen "St.-Antonius-Haus", den Namen des Heiligen von Padua, der bis auf den heutigen Tag ein Ohr und Herz für jewgliche Not der Menschen und besonders für die armen Kinder hat.

Der Andrang der zu betreuenden Kinder wurde so groß, daß das Haus immer wieder erweitert werden mußte, bis schließlich 150 Kinder darin Platz finden konnten.

Für die Betreuung und Erziehung der Kinder konnten die fachlich ausgebildeten Schulschwestern des heiligen Franziskus von Erlenbad/Baden gewonnen werden. Sechs Erlenbader Franziskanerinnen sind noch bis auf den Tag in unserem Kinderheim auf dem Arenberg tätig. Wir wünschten, es wären noch mehrere von ihnen.




Von Anfang an ging es der Leitung des "Seraphischen Liebeswerkes" darum, die Kinder und Jugendlichen auf ihr künftiges Leben in der menschlichen Gesellschaft vorzubereiten. So wurde für die schulentlassenen Mädchen eine Haushaltsabteilung eingerichtet. Dazu war es auch notwendig eine Waschküche und einen Bügelraum einzurichten.

In einem kleinen Nebengebäude, in der Nähe des Hauptgebäudes, wurde dafür die Möglichkeit geschaffen. In den Kellerräumen des Hauptgebäudes wurde eine Bäckerei eingerichtet, in der das Brot für das Heim gebacken wurde.

Ein weiterer Schritt war die Schaffung eines landwirtschaftlichen Betriebes. Durch ihn sollte die Ernährung der Heimbewohner gesichert werden. Wie notwendig das war, zeigte sich besonders in den Kriegs- und Nachkriegszeiten. Jungen, die als Landwirte ausgebildet werden sollten, konnten dies unter der Leitung eines landwirtschaftlich ausgebildeten Verwalters tun.

Immer aber blieb man auch darauf bedacht, daß der Geist, aus dem dieses Werk gegründet worden war – aus franziskanischem Geist –, erhalten blieb.

Die erste Hausordnung

Wir müssen die erste Hausordnung aus der damaligen Zeit heraus zu verstehen suchen und aus der Intention, die sich die Einrichtung gegeben hatte. Das Zusammenleben in den Familien war zur damaligen Zeit auch anders geordnet als es heute ist.

Nun einiges aus der Hausordnung:

I. Die Pfleglinge des Seraphischen Liebeswerkes sind in besonderer Weise Kinder der göttlichen Vorsehung. Das Vertrauen auf Gottes unendliche Barmherzigkeit muß der helle Leitstern ihres Lebens und die erste Haustugend in den Anstalten des Seraphischen Liebeswerkes sein.

"Deus providebit: Gott wird weiter sorgen!"

II. Als Kinder der Vorsehung haben die Pfleglinge des Seraphischen Liebeswerkes das Grundgesetz berechtigten Gottvertrauens und zugleich aller Ordnung und alles Glückes, das Gesetz der Pflichttreue und der Arbeit, von früh gewissenhaft zu befolgen und ihre Zeit auf das Beste
auszunützen.

"Wem Gott die Gnade zu arbeiten gegeben hat", sagt der seraphische hl. Franziskus,
"der soll treu und andächtig arbeiten."

III. Das pflichttreue und arbeitsame Kind der Vorsehung unterwirft sich gern und dankbar den Vorschriften der Hausordnung, von deren treuer Befolgung sein und der übrigen Kinder Glück und Zufriedenheit abhängen.
"Halte die Ordnung ein, so wird die Ordnung dich aufrecht erhalten",
sagt der hl. Bernhard.


A) Gebet und Gottesdienst

- Das kurze Morgen- und Abendgebet verrichten die Kinder auf dem Schlafsaal, die Schulkinder gemeinschaftlich laut, die Schulentlassenen still für sich.

- Der hl. Messe in der Hauskapelle wohnen die Kinder am Sonntag, Dienstag (Antoniusandacht) und dem Herz-Jesu-Freitag bzw. einem anderen zweiten Wochentag bei. Jeden Tag - entweder nach dem Mittagessen oder der Nachmittagsstärkung - machen die Kinder eine gemeinsame Besuchung des Allerheiligsten, die fünf Minuten nicht übersteigt.
Den Schulentlassenen ist abends vor dem Schlafengehen eine Viertelstunde zum stillen Gebet in der Kapelle freigegeben, irgendein Zwang zur Benützung dieser Viertelstunde besteht nicht.

- "Der Engel des Herrn"
wird in Verbindung mit dem Morgengebet sowie dem Tischgebet mittags und abends gebetet.


B) Arbeit und Erhohlung

- Der Arbeitsplan wird von der Sr. Oberin aufgestellt und von den einzelnen Schwestern in ihren Abteilungen durchgeführt. Jedes Kind hat sich dieser Ordnung pünktlich zu fügen und darf ohne Zustimmung der Abteilungsschwester seine Arbeit nicht verlassen. Der Arbeitsplan wird so aufgestellt, daß nicht nur die Schulentlassenen, sondern auch die Schulkinder eine möglichst allseitige Arbeitsausbildung in der Haus-, Hand- und Gartenarbeit erhalten.
Zur Belohnung für besonders gute Arbeit erhalten die Kinder von der Sr. Oberin Sparmarken.
Gesammelte Sparmarken einzelner Kinder werden, wenn sie 3,- Mark erreicht haben, zur Einzahlung auf das Sparbuch in der Verwaltung übergeben.

- Die Sr. Oberin versammelt regelmäßig einmal in der Woche die Schulkinder und die Schulentlassenen - jede Abteilung für sich - einem erzieherischen Unterricht. Außerdem erhalten die Schulentlassenen wöchentlich Fortbildungsunterricht.
Im letzten Jahr vor der Entlassung aus dem Kinderheim tritt für die Schulentlassenen Unterricht in der Kleinkinder- und Krankenpflege hinzu.

- In der zur Erholung bestimmten Zeit der Tagesordnung müssen die Schulkinder und die Schulentlassenen geschlos- sen für sich beisammen bleiben. Ohne Erlaubnis der aufsichtführenden Schwester darf sich kein Kind entfernen.


C) Ausgänge und Besuche:

- Kein Kind darf ohne Erlaubnis oder Auftrag der Sr. Oberin das Haus verlassen.
- Besuche der Kinder zu Hause können außer bei lebensgefährlicher Erkrankung von Vater und Mutter nur ausnahmsweise gestattet werden und bedürfen in jedem Fall der Erlaubnis des P. Direktors.
Wie zu Beginn schon gesagt, müssen wir die Hausordnung aus der Zeit heraus verstehen, in der sie entstanden ist.


*1914 entstand auch in der Stadt Mainz eine eigene Lokal-Abteilung. Sie war die jüngste Gründung. Der sie ins Leben gerufen hat, war Maximilian, der Guardian des Mainzer Kapuzinerklosters. Zu dieser Abteilung gehörte die Stadt selbst wie das Landdekanat Mainz. Schon im Gründungsjahr waren der Abteilung 20 Kinder zur Betreuung anvertraut worden.
Diese Umstrukturierung: Zentrale Ehrenbreitstein – und Filialen (Lokal-Abteilungen) brachten naturgemäß an die innere Organisation große Aufgaben mit sich. P. Provinzial, Matthias, beauftragte eine Kommission unter Leitung von P. Ludwig ein neues Statut für das Seraphische Liebeswerk zu erarbeiten.

1903 berief P. Gregor, der Provinzial der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz, das Direktorium des Seraphischen Liebeswerkes (dazu gehörten: P. Direktor des SLW in Ehrenbreitstein und sein Vorstand und die Vorsitzenden der einzelnen Lokal-Abteilungen) vom 27. - 30. Januar nach Straßburg￾Königshofen, dem damaligen Sitz des Provinzials.

Es wurde eine neue Satzung und die Geschäftsordnung des SLW erarbeitet. Für viele war es damals befremdend, daß die Franziskanische Caritas, das Seraphische Liebeswerk, von dem man annahm, es sei doch mehr eine “Sache des Herzens", sich mit soviel Paragraphen umgeben. Wie aber hätte solch ein Werk fruchtbringend arbeiten können, ohne eine Struktur-Ordnung. Trotzdem blieb und sollte das Bestimmende der Geist, der Leben schafft, bleiben, der Geist, der ausgeht von der Liebe Gottes zu uns Menschen.


Gründung des “Seraphischen Kinderfreund”
Sollte der neue Verein in der Öffentlichkeit bekannt werden, dann mußte eine gute und weitverbreitete Presse her.

Das waren die weiteren Überlegungen nach der Gründung des Seraphischen Liebeswerkes von P. Cyprian Fröhlich. Aber wie sollte er das anfangen? Denn das “Franziskusblatt" genügte P. Cyprian nicht mehr, da es nur an die Mitglieder des Dritten Ordens des heiligen Franziskus verschickt wurde und auch von seinem Inhalt her hauptsächlich für diese bestimmt war. Schon im Gründungsjahr 1889




schlossen sich jedoch immer mehr Frauen und Männer dem Seraphischen Liebeswerk als Mitglieder an, die nicht Mitglieder des Dritten Ordens waren. Auch sie sollten über die Arbeit und das Werden des Seraphischen Liebeswerkes unterrichtet werden. Dazu kam die weitere Überlegung, daß diese Zeitschrift sich an Kinder wenden sollte, um die Herzen der Kinder für die in Not geratenen Kinder empfänglicher zu machen.
Pater Cyprian fand einen Weg. Seit vielen Jahren war er ständiger Mitarbeiter des Blattes “Erbauungsstunden”, die in Heiligenstadt bei Franz W. Cordier wöchentlich erschienen. Er wandte sich an den Verleger und handelte mit ihm folgendes aus: Die “Erbauungsstunden” sollten ab 1890 in doppelter
Ausgabe erscheinen:
1. in der üblichen Wochenausgabe für alle bisherigen Abonnenten;

2. in einer eigenen und vom Inhalt her ganz verschiedenen Monats- ausgabe für die 2.000 Mitglieder des Seraphischen Liebeswerkes. Dazu gab es noch eine monatlich erscheinende Beilage: “Das Marienkind".
Im Jahr 1891 erschien der zweite Jahrgang der Vereinsschrift schon mit dem Titel “Seraphischer Kinderfreund und Marienkind” im selben Verlag von F. W. Cordier, Heiligenstadt/Eichsfeld.
Im März 1897 verlegte man den Druck in die Druckerei Johann Schuth nach Koblenz. 1907 erfolgte eine weitere Verlegung in die Limburger Vereins-Druckerei nach Limburg an der Lahn. Ab 1950 bis heute wird der “Seraphische Kinderfreund" in der Görres-Druckerei in Koblenz gedruckt.
Es ist interessant, sich in einer statistischen Übersicht die stets steigende Auflage des “Seraphischer Kinderfreund" einmal anzuschauen:

1890            Januar                      2.000              Zeitschriften
                                                Junli                         6.000              Zeitschriften
                                                August                      7.000              Zeitschriften
                                                September                8.000              Zeitschriften
                                                Dezember                10.000              Zeitschriften
                            1900                                            80.000              Zeitschriften
                            1901                                             83.000             Zeitschriften
                            1908                                           118.000             Zeitschriften
                            1910                                           138.000             Zeitschriften
               1914                                           146.000             Zeitschriften       

(Beginn des Ersten Weltkrieges)

Es grenzt schon an das Wunderbare, daß trotzdem die Zahl der Bezieher des Seraphischen Kinderfreundes gleichgeblieben ist, wenn man beachtet, daß im Jahre 1894 die sind.

Ähnliches wie in der “Norddeutschen Abteilung" zeichnet sich auch in den anderen Landesabteilungen ab. 1914 sah die Auflage des “Seraphischer Kinderfreund” in den damals existierenden Landesverbänden so aus:

1. Norddeutsche Ausgabe (Zentralstelle Ehrenbreitstein seit 1890) 146.000
2. Bayrische Ausgabe (Zentralstelle Altöttingenseit 1894)  156.000
3. Schweizerische Ausgabe (Zentralstelle Luzern seit 1898) 15.000
4. Nordamerikanische Ausgabe (Zentralstelle Pittsburgh seit 1899) 10.000
5. Österreichische Ausgabe (Zentralstelle Linz seit 1904)  30.000
6. Böhmische Ausgabe (Zentralstelle Budweis seit 1906) 10.000
7. Ungarische Ausgabe (Zentralstelle Gran seit 1909) 6.000
8. Tirol deutsche Ausgabe (Zentralstelle Dorf Tirol) 30.000
9. Tirol ital. Ausgabe (Zentralstelle Trient seit 1911) 3.000

Der Seraphische Kinderfreund hatte also im Jahre 1914 eine Gesamtauflage von 400.000 Exemplaren.

Er erschien in fünf Sprachen: deutsch, englisch, italienisch, ungarisch uns tschechisch. Im damaligen
Deutschen Reich waren es allein 300.000 Zeitschriften. Heute hat die “Norddeutsche Abteilung” eine Auflage des “Seraphischer Kinderfreund” von nur noch ca. 13.000 Exemplaren (Tendenz: fallend, hauptsächlich durch die vielen Todesfälle der älteren Mitglieder).

Der Geistliche Rat, Herr M. Müller, schreibt 1914: “Wieviel Segen wird durch diese Blätter gestiftet!

Wieviel Trost, Belehrung, Licht, Lebensmut, Kraft geht von denselben aus in die Häuser und Familien.

Dieser Vorteil kann nicht genug betont werden."
Ein Pfarrer in einer großen Stadt (Stadt wird nicht genannt): “Ich benütze den ”Seraphischer
Kinderfreund” als Bindemittel zwischen Kirche und Gläubigen und ich habe die Erfahrung gemacht, daß manche, die dem kirchlichen Leben entfremdet waren, durch die Lektüre desselbenden Weg zur Kirche wieder gefunden haben. Ein Provinzoberer der “Barmherzigen Brüder" an P. Cyprian: “Über 100 Jünglinge seien durch den Seraphischer Kinderfreund” zum Eintritt in die Genossenschaft bewogen worden.

Es wäre für uns schon eine große Freude, wenn der “Seraphische Kinderfreund” auch heute noch manches von dem bewirken könnte, was der Geistliche Rat, Herr M. Müller 1914 über die Wirkung des “Seraphischer Kinderfreund” geschrieben hatte." Das Seraphische Liebeswerk war in fast allen katholischen Landstrichen Deutschlands bekannt geworden und seine Einrichtungen fanden immer mehr Zuspruch bei kirchlichen wie weltlichen Behörden, bei Arm und Reich.

Für das allgemeine Bekanntwerden und die melle Ausbreitung des Seraphischen Liebeswerkes sorgten vor allem unsere Kapuzinerpatres bei ihren Volkmissionen. Unter den Predigten, die sie hielten, war auch immer eine über das Seraphische Liebeswerk dabei. So kam es auch, daß sich die Anfragen zwecks Unterbringung gefährdeter Kinder und Jugendlicher bei der Leitung des Seraphischen Liebeswerkes immer mehr häuften.

Eine nicht geringe Sorge bereitete dem damaligen Direktor des Seraphischen Liebeswerkes und Heimleiter, P. Ladislaus Lohoff die Unterbringung der schulentlassenen Jugendlichen, die eine Lehre beginnen sollten. Einen Teil von ihnen konnte er bei den Lehrmeistern selbst unterbringen, aber es blieben noch eine Menge übrig, die in den Meisterfamilien keine Unterkunft fanden.

*1880 konnte P. Ladislaus dann schließlich in Ehrenbreitstein ein Haus direkt neben dem Kapuzinerkloster erwerben, das vorher als Wohnhaus den Offizieren der Reichwehr diente. In diesem Gebäude richtete er das Lehrlingsheim “St. Konrad” ein. – Über 30 Lehrjungs fanden darin ein Zuhause. Den Haushalt führten Schwestern aus dem Dritten Orden des heiligen Franziskus aus Koblenz.

Die Zahl der zu betreuenden Kinder stieg jedoch höher und höher und erreichte im Jahre 1932 eine Anzahl von 1.000. Es blieb also nichts anderes übrig, wollte man das Werk nicht stagnieren lassen, als nach einem weiteren Erwerb von Grundstücken und Gebäuden Ausschau zu halten. Sehr bald bot sich in Bensheim an der Bergstraße eine einmalige Gelegenheit an, ein einzigartiges Anwesen zu kaufen. Es war dies eine leerstehende Villa mit einem dazugehörigen 40 Morgen großen Park. Hier sollte ein Kindererholungsheim entstehen. Allein, jedoch, hätte das Seraphische Liebeswerk den Kauf nicht tätigen können, da die finanzielle Situation nicht ganz so rosig war. Es fanden sich schnell einige gute Menschen und Wohltäter, die bereit waren, dem Seraphischen Liebeswerk beim Kauf dieses wunderbaren Areals zu helfen.

Das “Katharinenstift”, so wurde die neue Einrichtung benannt, fand Platz für 40 Kinder. Wegen der guten, schönen und gesunden Lage wurde dieses Kinderheim besonders mit Kindern belegt, die schwächlich und in einem nicht guten Gesundheitszustand waren. Die Führung des Haushalts wie die Pflege der Kinder war ebenfalls den Drittordensschwestern aus Koblenz anvertraut.
Ziel der Heime in Arenberg wie in Bensheim war: die Kinder, die keine leiblichen Eltern mehr hatten und guten und christlichen Familien zu bringen. Die Auswahl der Familien, die für die Aufnahme eines Kindes in Frage kamen, erfolgte sehr gründlich. Ein großer Teil der Kinder, die zunächst als Pflegekinder aufgenommen wurden, sind später von ihren Pflegefamilien adoptiert worden.

Unter den Adoptiveltern befinden sich Regierungsräte alle Stufen und Klassen von Beamten, Lehrer, Kaufleute, Prokuristen, Landwirte, Handwerker und viele andere Berufe.
Noch konnte sich das Seraphische Liebeswerk ungehindert ausbreiten und seine Aufgabe an armen,elternlosen und gefährdeten Kindern erfüllen, getragen vom Geist des Heiligen aus Assisi in der Nachfolge Jesu Christi.

Doch aus nicht allzu großer Ferne stiegen schon die dunklen Wolken des Nationalsozialismus am Horizont auf, die auch dem Seraphischen Liebeswerk ankündigten und zur Bedrohung wurden.

Die Worte des Psalms 23, die immer wieder auch in den Kapellen unserer Kinderheime von Kindern, Schwestern und Erzieherinnen gebetet wurden, bekamen plötzlich einen neuen Inhalt in dieser konkreten Situation. “Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. ... er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.

Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. ... und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.

Das Jahr 1933 war angebrochen. Nur wenige ahnten, daß das Jahr der “Machtergreifung Hitlers" einmal unser Volk in eine tiefe Ohnmacht und Niederlage stürzen werde. Es war der Anfang eines schlimmen Endes. Sehr bald spürten besonders die katholischen Einrichtungen:

Kinder- und Jugendheime, Krankenhäuser und Altenheime, Kindergärten und die verschiedensten kirchlichen Vereine eine feindliche Einstellung ihnen gegenüber. Man suchte nach fadenscheinigen Gründen, um vielen solcher Einrichtungen den Prozeß zu machen und sie aufzulösen.

Auch in der Zentrale des Seraphischen Liebeswerkes in Koblenz-Ehrenbreitstein wie im Kinderheim auf dem Arenberg wuchs von Jahr zu Jahr die Sorge.
Kontrollen wurden angesagt und durchgeführt. Man hatte sich auf das Schlimmste vorbereitet.

Interessant ist es, das in keinem “Seraphischen Kinderfreund” zur politischen Lage Stellung bezogen wurde. Man nahm von Adolf Hitler und vom “Dritten Reich” keine Notiz. Weder sein Geburtstag noch seine “Erfolge” wurde erwähnt.

Man tut etwas anderes. Man geht in die Offensive indem man auf die Not vieler Kinder und Jugendlicher hinweist und eine Art Selbstdarstellung des Seraphischen Liebeswerkes im “Seraphischen Kinderfreund" veröffentlicht. Wie man es tat, das sollen einige Zeitdokumente belegen.


Wie die Kinder kommen


“Meist fängt es ganz klein an. Oft ist es nur eine Postkarte, ein kurzes Briefchen. Oft auch ein Besuch in der Liebeswerkklause. Aber stets das traurige Lied von Not und Gefahr, vin menschlicher Schwäche und irdischem Elend. Und das Ende – es ist immer dasselbe: “So kann es nicht mehr weitergehen. Wenn Sie nicht helfen, weiß ich keinen Ausweg mehr!” – “Sie müssen helfen!” Das ist nun leichter gesagt als getan.

Helfen will das Seraphische Liebeswerk immer und jedem, der der Hilfe bedarf. Dabei spielt es gar keine Rolle, wer den Antrag stellt. Einzig und allein ausschlaggebend für die Aufnahme ist das Wohl des Kindes.

Um hierbei Klarheit zu erhalten, wird dem Antragsteller ein Fragebogen überreicht, den er genau auszufüllen hat. Oh diese Fragebögen! Es gibt nichts Neugierigeres als so ein Ding. Nicht nur die Personalien der Eltern des Kindes werden verlangt. Es folgt ein Rattenschwanz von Fragen über Familienverhältnisse, über Vormund und Vormundschaft, über geistige und körperliche Eigenschaften des Kindes.”

te ein einigermaßen klares Bild ergeben über die Verhältnisse, in denen das Kind, um dessen Aufnahme angefragt wurde, zur Zeit lebt. Es wurde geprüft, ob das Liebeswerk in der Lage sei zu helfen, und ob die geforderte Hilfe den Zwecken des Vereins entspricht.

Das Liebeswerk ist da, um arme und gefährdete Kinder zu retten

“Mag die Gefährdung nun auf religiösem oder sittlichen Gebiet liegen. Zu der seelischen Not kommt meistens körperliche Verwahrlosung. Das Liebeswerk soll und will eben da helfen, wo andere Hilfe versagt.

Daraus folgt, daß wir auch manche Gesuche ablehnen müssen, und zwar dann, wenn es sich nicht um irgend eine Gefährdung des Kindes handelt. Oft steckt nämlich hinter einem solchen Antrag nur eine Laune oder auch Bequemlichkeit der Antragsteller, die sich gern auf diesem Wege der Sorge und der Last für die Kinder entziehen wollen.

Würde man in solchen Fällen die Aufnahme bewilligen, so könnte das nur zum Schaden der wirklich gefährdeten Kinder geschehen. Das liegt aber weder in der Absicht noch im Zweck des Liebeswerkes." Neben dem erwähnten Fragebogen mußten noch eine Reihe anderer Papiere herbeigebracht werden:

Ein ärztliches Attest (“Untersuchung nach Wassermann und Pirquet”), Geburtsschein, Taufschein und Impfschein. Waren diese Papiere alle herbeigeschafft und wurde der “Fall” positiv entschieden, dann hieß es – endlich: “ Das Kind kann uns gebracht werden.”

“In den meisten Fällen können wir - Gott sei Dank - helfen und tun es mit Freuden. E glückliches Lächeln in tränenumflorten Auge ein inniges “Gott lohne ihnen ihre Güte!” ist (Antwort der oft schon verzweifelten Hilfesuchenden.

Hunderte von rührenden Danke brieten zeugen davon, daß wir mit unserer Hilfe wieder ein bißchen Sonne in eine düstere Kellerwohnung, wieder ein wenig Glück in der trostloses Vater- oder Mutterherz gezaubert haben. So mancher, der nicht mehr wußte, wohin er sich wenden sollte, der auf dem besten Wege war, ein Hasser zu werden, gewann durch ihm gewordene Hilfe den Glauben die christliche Nächstenliebe wieder.”

Der Schreiber dieses Artikels (A.K.) bemerkt, daß er in weiteren Folgen den Mitgliedern Einblick in die Tätigkeit des Liebeswerkes geben möchte.

Auch ich möchte in den alten “Dokumenten" noch etwas herumblättern, um Werden, Weg und Tun des Seraphischen Liebeswerkes uns näher zu bringen, gerade auch in jener schweren Zeit.

Noch einige Zeit erscheint der Seraphische Kinderfreund und kann so den Kontakt mit den Mitgliedern, Freunden und Wohltätern aufrecht erhalten. Dann kommt der Tag, den man schon lange Zeit mit Bangen erwartet hat, an dem der Seraphische Kinderfreund zum letzten Mal erscheint. Wir schreiben das Jahr 1938. Es wird still um ihn.

Aber in den vielen Jahren, da er erscheinen durfte, hat er die Gemeinschaft der Liebeswerk-Freunde fest zusammengeschweißt.

So gut unsere Freunde es konnte unterstützten sie das Liebeswerk mit Sachspenden, Nahrungsmitteln und Geldspenden weiter. So ist es auch ihrer Treue mit zu verdanken, daß das Liebeswerk die Machthaber des “Tausendjährigen Reiches", Kriegszeit und auch die schwere Nachkriegszeit überlebt hat.

Im Januar 1950 erscheint der Seraphische Kinderfreund wieder zum ersten Mal. In Leitartikeln dieses ersten “Seraphischen Kinderfreundes” nach dem Krieg schreibt Pater Ladislaus:
“Gott, zum Gruß!

Der so lang entbehrte und heiß ersehnte “Kinderfreund” ist wieder da und stellt sich heute vor. Er grüßt Dich und all die Getreuen in Stadt und Land und freut sich, daß er wieder landauf, landab ziehen kann, um Dir den Gruß aus Klause und den Kinderheimen zu bringen.

Sicher nehmt Ihr ihn alle freudig auf, denn ihr wißt, was er Euch allen war bis zu seiner Verbannung - ein lieber Freund und Wegbegleiter, ein Berater und Freudenbringerfürst für stille Stunden. Das will er auch in Zukunft sein.

Er will Euch erbauen, will Euch erzählen, will Euch berichten aus dem Kinder- und Jugendreich, will Alten und Jungen, Großen und Kleinen aus dem Leben etwas geben. Ja, der “Kinderfreund” ist unser liebster Freund! – so soll es sein und bleiben.

In harter, armer Zeit haben wir es gewagt, unter großen Opfern dem “Kinderfreund” wieder auf die Beine zu helfen, um so dem Wunsch der vielen, vielen Mitglieder und Freunde der armen Kinder zu erfüllen.

Nun wollen wir diesen so lang Vermißten aber auch so frohen Herzens aufnehmen, wie wir unsere lieben Vermißten aufnehmen würden, wenn wir diese wieder in der Heimat hätten. Kein Opfer wollen wir scheuen oder darf uns zu groß sein.

Es ist ja für den “Kinderfreund” und damit für die armen Kinder und zutiefst und zuletzt für den göttlichen Kinderfreund!

Wir haben Euren Wunsch erfüllt und bitten Euch alle nun und jeden einzelnen: Erfüllt auch unseren Wunsch im Jahre 1950!

Das neue Jahr muß das Werbejahr für unser Rettungswerk werden. Wir wollen zur Großaktion ausholen, um möglichst viele neue Mietglieder zu gewinnen, um so die Verluste des unseligen Krieges wieder auszugleichen.

Es fehlen uns heute noch rund 31.000 Mitglieder gegenüber den Jahr 1939! Dabei haben wir die Mitglieder aus dem 3. Orden, die uns einst beim Verbot des Franziskusblattes verlorengingen, noch gar nicht mitgerechnet.

102 Förderinnen und Förderer sind uns während der Verbannungszeit des “Kinderfreundes” durch den Tod entrissen worden, wofür wir bis zur Stunde noch keinen Ersatz haben. Bei all diesen Aufstellungen sind die unserem Vaterland verlustig gegangenen Ostgebiete noch gar nicht einbezogen.


Liebeswerkmitglieder!
Versteht Ihr jetzt unseren Wunsch, unsere Bitte, im neuen Jahr auch neue Mitglieder zu werben!

  1. Weil die entsetzlichen Kriegsverluste ausgeglichen werden müssen
  2. Weil die Alten, unsere Veteranen im Dienste des göttlichen Kinderfreundes, allmählich wegsterben und der ganze Mitgliederstand sich erneuern muß.
  3. Weil wir die heilige Pflicht haben, als tätige Mitglieder, armen, verlassenen, verstoßenen, eiternund heimatlosen Kindern Schutz, Hilfe, Pflege und Erziehungsmöglichkeit zu bieten. Weil wir um so mehr Kinder retten können, je größer die Mitgliederzahl des Liebeswerkes ist. Weil wir damit dem göttlichen Kinderfreund eine Freude bereiten.

So wollen wir fester denn je zusammenstehen. Geht mutig ans Werk! Die Liebe zu den armen Kindern wird Euch den Weg zu der Menschen Herz finden lassen. 1950 ist Werbejahr!

Der Dank der beglückten Kinder bleibt Euch im täglichen Gedenken bei Gebet und hl. Opfer für die Wohltäter. So wünsche ich Euch allen von Herzen ein recht gottgesegnetes Jahr 1950 für Eure eigene Seele, für Eure Familien und unser Seraphisches Liebeswerk!

Aus diesen Zeilen spürt man die Begeisterung des Neuanfangs, den Mut, nach vorne zu gehen, und das Wollen, das Liebeswerk wachsen und erstarken zu lassen. Dieser Anruf halte als ein wunderbares Echo wider.

P. Ladislaus, der damalige Direktor, hatte das Jahr 1950 zum “Werbejahr für das Seraphische Liebeswerk" ausgerufen. Wir erinnern uns, daß in diesem Jahr, seit dem Verbot der Zeitschrift “Seraphischer Kinderfreund", diese zum ersten Mal auch wieder erschienen war.

Das Jahr 1950 war von Papst Pius XII. zum Heiligen Jahr erklärt worden. In diesem Jahr erlebte das Kinderheim einen Höhepunkt. Ein Ehemaliger des Kinderheims, P. Camillus war zum Priester geweiht.

Zweimal drei Jahre lang war P. Camillus Provinzial der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz. Im Heft des Monats Juni schreibt P. Camillus in einem Dankesgruß an die Liebeswerksfamilie unter anderem: “Die Tage der Freude und der Festlichkeiten sind vorüber, der graue Alltag der Arbeit und des Studiums hat wieder begonnen.

Aber noch lebendig wach lebt in mir das tiefe Erleben dieses Tages meines ersten heiligen Meßopfers, das Wissen um die große Dankbarkeit, die ich nächst Gott meinen Pflegeeltern und Erziehern, besonders den Leitern, Mitgliedern, Förderern, Freunden und Gönnern des Seraphischen Liebeswerkes gegenüber trage.

Gott allein weiß um die ganze Größe und Weite dieser Last. Ihm habe ich sie beim feierlichen Primizamt an der Wiege des Seraphischen Liebeswerkes in die Hände gelegt mit der innigen Bitte, er möge in seiner Liebe und Güte all den edlen Helfern vergelten, was ich und die große Schar der Jungen und Mädchen des Liebeswerkes nicht vergelten können...

Wenn zum Schluß noch eine Bitte anfügen darf, so ist es diese: Bewahrt dem Liebeswerk die Treue! Mit priesterlichem Gruß und Segen Euer dankbarer P. Camillus."
Beim Durchstöbern der alten Liebeswerkhefte in unserm Archiv bin ich auf einen interessanten Artikel von P. Ladislaus gestoßen. Ja man höre und staune! Wußten Sie alle, daß es ein Vereinsgebet gibt? P. Ladislaus schreibt in dem oben genannten Artikel:

“Liebe Mitglieder des Liebeswerkes! Wie steht es mit dem Vereinsgebet? Ist das denn überhaupt notwendig? Oder ist das vielleicht ein alter “Zopf”, den man von früher in die Neuzeit gerettet hat, um das religiöse Moment in der Apostelarbeit zu betonen.

Sollte es nicht genug sein, wenn du dein monatliches Almosen zum Kinderrettungswerk gibst? Wenn du so dächtest, hättest du das tiefe Wesen der Liebeswerkarbeit noch lange nicht erfaßt. Sicher ist das monatliche Geldopfer, der Mitgliedsbeitrag, notwendig und für alle ein Selbstverständnis. Aber eben so selbstverständlich muß dir dein Beten in den großen Liebeswerksanliegen sein ...

Wir können nur pflanzen und begießen. Das Wachstum aber gibt Gott! “Wenn der Herr das Haus nicht baut, so bauen die Bauleute vergebens.”

Deshalb braucht es viel Gebet und Opfer für die Kinder des Liebeswerkes, für unsere “schwierigen Fälle”, an denen die Nicht-Optimisten verzweifeln möchten. Wir aber sind Optimisten und glauben fest an die Rettung unserer Schützlinge.”

Hier das Liebeswerkgebet:

“Dich, o Jesus, bitten wir, komm Deinen Kindern zu Hilfe, welche Du durch Dein kostbares Blut erlöst hast!
O Maria, du Mutter des Guten Hirten,beschütze die armen Kinder! Heiliger Franziskus, Vater der Armen, bitte für sie!"

Im Juliheft nimmt der “Seraphische Kinderfreund" zu einem Artikel in der Rheinzeitung Nr. 110, den er in der genannten Nummer auch abdruckt, Stellung. Das Geschehen hätte sich auch heute ereignen können:

Die Rheinzeitung Nr. 110 berichtet:

“Am Kölner Ring wurden zwei Mädchen im Alter von sieben und acht Jahren aufgegriffen, von denen vor allem die achtjährige Rosemarie einen furchtbaren, verwahrlosten Anblick bot. Sie war halb verhungert, am ganzen Körper von Narben übersät, hatte eine schwere offene Wunde am Kopf und wog nur noch 34 Pfund. Die Ermittlungen ergaben, daß die Kinder zu Hause von ihren Eltern in furchtbarster Weise mißhandelt worden waren.

Die Rabeneltern hatten sich jetzt vor Gericht zu verantworten. Die Verhandlung entrollte ein furchtbares Großstadtbild. Elf Kinder zählen zu dieser Familie. Das Gericht verurteilte die Mutter zu fünf Monaten und den Vater zu drei Monaten Gefängnis." - Soweit die Rheinzeitung.

Nun der Kommentar des Kinderfreundes:
“Man liest diesen Fall in der Zeitung, klappt das Blatt zu und legt es beiseite. Was geht das alles uns an? Ist das nicht die Kainsfrage!
Hat uns das Gelesene nichts zu sagen! Sind das nicht Zeichen der Zeit! Und doch nennt man unser Jahrhundert das Jahrhundert des Kindes. Man geht zur Tagesordnung über.

Was sind wir Menschen heute so oberflächlich geworden. Müssen wir nicht tiefer werden? Denkende Menschen muß solch eine Zeitungsnotiz zutiefst erschüttern.
  • Wie konnte es soweit mit diesen armen Kindern kommen?
  • Wo blieb die Nachbarschaft?
  • Waren denn alle Umwohner blind?
  • Wo blieben die Christen, die Brüder und Schwestern in diesen Kleinen sahen?

Jetzt wird die Fürsorge eingreifen müssen. Wäre Vorsorge am Platz gewesen, und viele Kindertränen wären ungeweint geblieben.

Das Liebeswerk leistet diese “Vorsorgearbeit” und nimmt sich des gefährdeten Kindes an. Zu dieser Mitarbeit seid ihr alle als Liebeswerksmitglieder berufen. Drum meidet solche Fälle den zuständigen Caritasstellen, Fürsorgevereinen oder direkt der Zentrale des Liebeswerkes in Koblenz-Ehrenbreitstein."

Es ist erfreulich zu erfahren, wie das Liebeswerk solche Geschehnisse nicht nur wahrnimmt, sondern sich einmischt, Stellung bezieht, aber was noch wichtiger ist, zugleich konkrete Hilfe anbietet.

“Er läutete die Notglocke für arme Kinder”

Das Seraphische Liebeswerk begann sich nach dem Zweiten Weltkrieg und den Nachkriegsjahren zu erholen. 1.000 Kinder und Jugendliche wurden in dieser Zeit vom Liebeswerk betreut. Man schrieb den 13. November 1950.
Es war der Tag, an dem der Rundfunk aus Anlaß der Caritas-Opfer-Woche eine Reportage über das Seraphische Liebeswerk brachte. Um diese Zeit lag der Rektor des SLW, P. Ladislaus Lohoff im Krankenhaus in Bensheim und rang mit dem Tod. Am 15. November starb P. Ladislaus. Er war neben P. Cyprian Fröhlich in der Geschichte des Liebeswerkes der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz derjenige, der dem Werk großes ansehen brachte und der bei vielen älteren Mitgliedern bis auf den heutigen Tag lebendig blieb.

P. Ladislaus war am 20. Juli 1878 auf dem Hof Brochtrup bei Lüdinghausen geboren. Er war ein echter Westfale und stammte aus einem tief religiösen Elternhaus. Sein Taufname war Theodor. In Werne lernte er die Kapuziner kennen und wollte solch ein Kapuziner werden, wie er sie in Werne erlebt hatte.

So entschloß er sich, daheim Privatstunden zu nehmen, die ihn soweit vorbereiteten, daß er nur noch drei Jahre die Kloster- und Missionsschule der Kapuziner in Straßburg-Königshofen zu besuchen brauchte, um seine Gymnasialstudien zu beenden.

Am 1. Oktober 1898 trat er in das Noviziat der Kapuziner in Sigolsheim/Elsaß ein. Die philosophischen und theologischen Studien machte er an den Ordenshochschulen Kleve, Krefeld und Münster. Am 28. Mai 1904 empfing er in Münster die Priesterweihe.

Bald nach seiner Priesterweihe wurde er Lehrer an der Ordensschule und unterrichtete die Fächer: Mathematik, Englisch, Hebräisch und Religion. Seine eigentliche Lebensaufgabe erhielt er beim Seraphischen Liebeswerk. Als P. Ladislaus 1920 die Leitung in Ehrenbreitstein übernahm, war das Herannahen der Inflation schon zu spüren.

Die Mitgliedsbeiträge waren gleichgeblieben, Pflegegelder, Waren und Kinder waren schon um das Fünf- und Zehnfache gestiegen. Damals entschied sich Pater Direktor im St. Franziskusblatt das “Notglöckchen” zu läuten.

Es ging um den Bestand des Kinderheimes. Der Ruf wurde gehört. Besonders die Mitglieder des III. Ordens des heiligen Franziskus waren angesprochen. Und sie brachten manches große Opfer, um das Seraphische Liebeswerk und das Kinderheim am Leben zu erhalten.

Das Liebeswerk der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz hatte damals nur ein eigenes Heim, das 1903 gegründete Antoniushaus auf dem Arenberg. Nach einer kurzen Unterbrechung, übernahm P. Ladistaus 1927 zum zweiten Mal die Leitung des Seraphischen Liebeswerkes und des Kinderheims und behielt diese bis zu seinem Tod. Noch im gleichen Jahr, als er zum zweiten Mal die Leitung übernahm, erwarb P. Ladislaus das Kasino des Traindepots in Ehrenbreitstein und richtete dort ein Heim für Lehrlinge ein.

Ein drittes Haus, das Kathrinenstift, kaum später hin. In diesen Heimen konnten bei weitem nicht alle Kinder des SLW untergebracht werden. Das Streben des Werkes ging dahin, geeignete Familien zur Pflege, zur Erziehung oder auch zur Adoption ausfindig zu machen.

Den Kindern wie dem Liebeswerk galt über 25 Jahre die ganze Sorge von Pater Ladislaus, bis er hier auf Erden am 15. November 1950 seinen Weg beendet und vom Herrn, dem er in den Kindern gedient hatte, die Fülle des Lebens zu empfangen.

Über sein Begräbnis wird berichtet: Am 20. wurde P. Ladislaus zu Grabe getragen. Drei volle Tage war er in der Kapuzinerkirche aufgebahrt und immer war sein Leichnam umlagert von Betern und solchen, die in ihm den Brotvater, Rater und Helfer betrauerten.

Die Kapuzinerkirche konnte die Menschen kaum fassen, die am Morgen der Beisetzung dem schlichten Kapuzinerpater die letzte Ehre gaben und Dank für sein selbstloses Wirken abstatten wollten.

Sämtliche staatlichen, städtischen und kirchlichen Behörden, an ihrer Spitze Ministerpräsident Peter Altmeier und die Leiter fast sämtlicher sozialer und caritativer Einrichtungen waren erschienen.

Der Trauerzug glich einem Triumphzug und war der schönste Beweis für die Wertung, die einem selbstlosen und ratlosen Wirken gegeben ist. Sein Leben ruht in der Kapuzinergruft auf dem Friedhof in Ehrenbreitstein.

Der Geist des Verstorbenen und seine selbstlose Liebe zu den Kindern sollte allen, die im Seraphischen Liebeswerk arbeiten, Vorbild sein. P. Ladislaus möchte bestimmt nicht bewundert werden, aber ihn nachzuahmen, w" de zum Segen für das Werk sein, dem er 25 Jahre lang gedient hat. “Das Herz sieht früher als das Auge; es sieht auch besser." (aus Arabien)
Menschen kommen und gehen. So ist es überall auf der Welt, so war und ist es auch im Seraphischen Liebeswerk.

Auf Pater Ladislaus folgte im Jahr 1951 Pater Lothar Nufer als Direktor. Hier einige Sätze
aus seinem Schreiben:
Liebe Mitglieder des Liebeswerkes! Nun ist es höchste Zeit, daß ich Euch Gruß und Segen sende. Das unverbesserliche Möhrchen (eine Figur aus dem Buch Puckchen und Muckchen) hat da mal wieder einen Streich gespielt und hat den neuen Klausenonkel sogar im Bilde Euch vorgestellt. Viele werden da still gedacht haben:
“Den kenne ich auch! Den habe ich da, bei jener Liebeswerktagung, bei jenem Anlaß gehört und
gesehen! Das ist ja der. "schwarze" Pater aus der Klause!" - Ganz recht! nur mit dem Unterschied, daß der “schwarze" Pater immer “gräulicher" wird.
Die Glatze paßt auch dazu, denn ein rechter Klausenonkel muß eine Glatze haben, damit ihm nicht die Haare zu Berge stehen, wenn ihn die Last der vielen Sorgen drückt. So grüße ich Euch alle von ganzem Herzen und würde am liebsten jedem einzelnen Mitglied dankbar die Hand drücken. Wir sind uns wirklich nicht unbekannt, denn durch viele, viele Jahre durfte ich mich als rechte Hand des lieben Pater Ladislaus erbauen am Eifer unsere nimmermüden Förderer der Liebeswerksmitglieder zu unserem Kinderrettungswerk und den vielen armen Kindern.

Was wir in der Trauerbotschaft schrieben im Andenken an unseren lieben Toten soll mein und Euer Motto sein für die weitere segensreiche Zusammenarbeit zum Besten der armen Kinder: “In seinem Geiste und seiner Treue an diesem Werke weiter zu arbeiten, sei unser Dank und Gelöbnis.

Nicht nur das Liebeswerk hat immer wieder in diesen Jahren auf die Not der Kinder hingewiesen. In einem Bericht der UNESCO waren 1951 allein in Europa 60 Millionen Kinder in großer Not und auf die Hilfe caritativer Organisationen angewiesen. Das Liebeswerk hat sich in seinem Organ “Seraphischer Kinderfreund" nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern auch informiert über das, was sich in der Welt getan hat, um die Menschen für die Not der vielen zu sensibilisieren.

So erfahren wir aus dem Kindermund von 1951 folgendes: “Rund 80.000 Kinder sind allein im Jahre 1949 durch Ehescheidungen elternlos geworden. Seit Kriegsende zerbrachen in Westdeutschland 300.000 Ehen. Und die Leidtragenden? - Sind und bleiben die Kinder.

20.000 irische Kinder haben ihrem Bischof den Betrag von 20.300 Pfund zum Bau eines Waisenhauses übergeben.

Diese Summe kam durch das Opfer der Kinder zusammen, die während der Fastenzeit auf
alle Süßigkeiten verzichtet haben. Kinder helfen Kindern!”
Zum Schluß möchte ich einen Aufruf bringen, der uns zeigt wie groß einmal auch der nördliche Teil des
Seraphischen Liebeswerkes gewesen ist:
“Aachen ruft! Wir rufen Aachen!
Aachen ruft zur Heiligtumsfahrt vom 8. bis 22. Juli 1951! Das ist schön und gut. Und die Klause ruft Aachen, denn dem Klausenonkel blutet das Herz, wenn er an die einst blühenden
Liebeswerksabteilungen denkt, die fast alle der Moloch Krieg vernichtet hat. Einst hatten wir in Aachen allein 40 Förderer, die viele, viele hundert Mitglieder betreuten. Heute sind es nur noch neun Unentwegte, die mit viel Mühe die ehemaligen Mitglieder zu sammeln versuchen. Wir rufen Aachen und bitten herzlich und dringend alle ehemaligen Mitglieder sich zu melden und wieder mitzutun beim großen Kinderrettungswerk. Wir bitten die Hochwürden Confrates um Interesse und Wohlwollen! Wir bitten ideal gesinnte Männer und Frauen, doch als Förderer mitzuarbeiten, damit viel Not und Elend in der Kinderwelt gelindert werden kann.

Beim Blättern in der Chronik wie in den Heften “Seraphischer Kinderfreund” bin ich auf einen
interessanten Bericht in der Rhein – Zeitung von 9. Januar 1952 gestoßen. Die Zeitung schildert die Feier des Gründungstages des Liebeswerkes, die jedes Jahr am 6. Januar begangen wurde.

“Im Zeichen des Bethlehemsternes haben sich die Brüder und Schwestern des hl. Franziskus zur
traditionellen III. Ordensversammlung am 6. Januar in der schlichten Kapuzinerkirche eingefunden.

Diese Zusammenkunft hat immer besondere Bedeutung für die Ordensgemeinde in Ehrenbreitstein. Ist doch an diesem Tage im Jahre 1889 das Seraphische Liebeswerk gegründet und in den Mutterboden des Ordens des heiligen Franz gesenkt worden. Der derzeitige Direktor des Werkes rief die Brüder und Schwestern auf, auch weiterhin und immer mehr Apostel der Kinderwelt zu werden. Zwar nennt man unser
Jahrhundert das Jahrhundert des Kindes, aber die Wirklichkeit spricht eine andere Sprache. Wer denkt da nicht an die vielen Waisenkinder, Niemandskinder, Kinder der Straße, Flüchtlingskinder, Kinder ohne feste Erziehung, Kinder, die infolge Versagens der Familie oder durch mißliche Zeitumstände und Nöte unserer Tage in Gefahr gekommen sind, leiblich und seelisch nach und nach zugrunde zu gehen."
P. Lothar weist bei dieser Feierstunde auch darauf hin, was das Liebeswerk seit der Zeit seines
Bestehens an und für diese Kinder getan hat. Viele tausend Kinder haben einen guten Weg ins Leben gefunden, sie sind vor Verwahrlosung bewahrt und zu Menschen erzogen worden, die in der
menschlichen Gesellschaft ihren Mann und ihre Frau gestanden haben. Eine große Zahl von Geistlichen, Ordensleuten, Beamten, Lehrern und Lehrerinnen, Menschen in allen Ständen und Berufen, Handwerker und gute Familienmütter – und Väter – sind Kinder des Seraphischen Liebeswerkes.

Der Direktor des Liebeswerkes weist aber auch darauf hin, daß ein bloßes Sich-Sonnen in der
Vergangenheit verfehlt wäre. Der folgende Satz sollte ein Aufruf sein an uns alle, denn er besitzt für alle Zeit seine Gültigkeit: “Großes ist geleistet worden, aber Größeres ist noch zu leisten!" Die Zahl der Kinder, die man dem Liebeswerk anvertraute, wuchs mehr und mehr an. Das, was unsere Kindheit und Jugend einmal so schön gemacht hat, das war vielen Kindern genommen worden.

Eine Umfrage, die der Deutsche Caritasverband in den Jahren 1951/52 in den Paderborner
Volksschulen durchgeführt hatte, ergab folgendes Ergebnis: 28,8 v. Hundert der befragten Kinder
besaßen kein eigenes Bett 1,8 v. H. waren außerhalb der Schulzeit berufstätig, 16,7 v. H. hatten keinen Vater mehr, 11,2 v. H. waren gänzlich ohne elterliche Aufsicht, 13,6 v. H. besaßen nur eine notdürftige Behausung und 12,2 v. H. waren Flüchtlinge.

Eine weitere traurige Statistik bringt der “Seraphische Kinderfreund" in seiner Ausgabe vom Februar 1952: “In der Bundesrepublik gab es 988.000 Witwen, 30.000 Vollwaisen und 1.250.000 vaterlose Kinder.

Die Zahl der Kriegshinterbliebenen beträgt 3,4 Millionen. Insgesamt lebten damals (1952) in der Bundesrepublik 13 Millionen Menschen von öffentlichen Mitteln. Dafür mußten jährlich 5,16 Milliarden DM aufgebracht werden.

Diese Not klopfte auch an die Türen des Seraphischen Liebeswerkes. Das
Liebeswerk öffnete seine Türen und stellte sich der Herausforderung, weil es hinter sich eine große Zahl von Wohltätern und Mitgliedern wußte.

Wir erinnern uns. Am Dreikönigstag des Jahres 1889 wurde das Seraphische Liebeswerk vom
Kapuzinerpater Cyprian Fröhlich in der Kapuzinerkirche in Ehrenbreitstein gegründet. Wir schreiben das Jahr 1969. Der Chronist bemerkt am 6. Januar: “Wir haben den 80. Geburtstag begangen. 79 volle Jahre
wirkt nun das Seraphische Liebeswerk zum Besten der Kinderwelt. Das ist schon Grund, einmal dankbar
rückwärts zu blicken, denn des Herrgotts Segen und gütiges Walten hat es geschaffen. Wir sind doch nur
Handlanger Gottes. Wir haben in dieser Stunde innig all der Mitarbeiter, Mitglieder, Wohltäter und Kinder
der vergangenen Jahrzehnte gedacht. Keines wurde vergessen beim heiligen Opfer und Gebet." Es war
mehr eine interne Feier. Am Nachmittag wurde dann die Hausweihe durchgeführt, wie sie am
Dreikönigstag üblich ist. P. Lothar, der Direktor des Heimes, ermunterte alle Mitarbeiter und Kinder mutig
in die Zukunft zu schauen, und im Vertrauen auf Gott zuversichtlich den Weg vorwärts zu gehen. Der Besuch der Sternsinger – es waren Jungen des Heimes –, die mit ihrem Singen und ihren Sinnsprüchen alle erfreuten, schloß diese schlichte Geburtstagsfeier. Im September dieses Jahres sollte das Heim jedoch ein größeres Fest feiern. Es war ein Fest, das besonders den Schwestern galt, jedoch vom ganzen Heim gefeiert wurde.

25 Jahre Apostolatsarbeit der Schwestern Franziskanerinnen von Erlenbad im Kinderheim
Arenberg.

Dazu einige Gedanken: Im Konzilstext über die Erneuerung des Ordenslebens heißt es: “In den
Ordensgemeinden gehören die apostolischen Tätigkeit und die karitative Arbeit, nämlich der heilige
Dienst und der besondere Dienste der Liebe, die ihnen von der Kirche anvertraut und in deren Namen auszuüben sind, zum Wesen des Ordenslebens selbst. Darum muß die ganze Lebensordnung der Mitglieder von apostolischen Geist durchtränkt sein und alle apostolische Arbeit vom Ordensgeist ihr Gepräge erhalten."

Das, was hier in den Texten des 11. Vatikanischen Konzils ausgesagt wird, hat schon 18 Gründerin der Schwestern vom heilige Franziskus, Mutter Alexia Höll ihrer Schwesterngemeinschaft als “Grundgesetz" gegeben.

Aus den sozial-karitativen Anliegen der damaligen Zeit entstanden, arbeiten die Schwestern auch heute noch vorwiegend auf diesem sozial-karitativen Gebiet.
Das Werk von Schwester Alexia hatte zu Beginn mit fast übergroßen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es war vom Badischen Parlament verboten worden. Schwester Alexia übersiedelte in die Vereinigten Staaten.

Dort wuchs und erstarkte ihre Ordensgemeinschaft immer mehr. Erst nach einigen Jahren konnte sie zurückkehren. Gottes Segen lag auf ihrem Werk, die Gemeinschaft verbreitete sich über ganz
Deutschland, vor allem in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, der Schweiz, Holland, Honduras und heute auch in Indien.

Überall wirken die Schwestern im Geiste des heiligen Franziskus auf den verschiedensten Gebieten der Seelsorge und der Caritas.
Seit 1919 sind also die Schwestern des heiligen Franziskus auch in unserem Heim tätig. Was sie in den vielen Jahren gewirkt haben, weiß Gott allein. Immer wieder kann man von “Ehemaligen" erfahren, daß sie die eine wie die andere Schwester wie eine Mutter erfahren haben. 1969 gab es in unserem Kinderheim noch 18 Schwestern. Heute sind es, nach dem Weggang von Schwester Hadeloga ins Mutterhaus, nur noch vier Schwestern. Schwester Hadeloga mußte uns aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Nachdem sie 41 Jahre im Krankenhaus Montabaur als OP – Schwester gearbeitet hatte, kam sie zu uns auf den Arenberg. Fast bis zum letzten Tag ihres Hierseins hat sie noch in der Küche Dienst gemacht.

Ihre Ruhe, die sie ausstrahlte, ihre Weisheit, Liebenswürdigkeit und unaufdringliche Frömmigkeit machte sie zu einer Persönlichkeit. Sie fehlt uns. Wir danken ihr für alles, was sie in den vielen
Jahren ihres Wirkens für das Haus getan hat Gott schenke ihr noch einige gute Jahre.
Ein letztes Weihnachtsfest P. Lothar Nufer war der Kapuziner, der am jüngsten für das Seraphische Liebeswerk tätig war. Er war auch der Erbauer des Neubaus und Schwimmbades. 1934 begann er die Arbeit am Liebeswerk als Assistent von P. Ladislaus, 1942 wurde er zum Geschäftsführer ernannt, 1947 in den Vorstand berufen und 1950 als Direktor und Leiter des Kinderheims eingeführt. Im ganzen waren es also 37 Jahre, die er für das Liebeswerk tätig war. 1970 konnte er zum letzten Mal das Weihnachtsfest mit den Kindern des Kinderheims feiern. Über dieses sein letztes Weihnachtsfest im Kinderheim, freilich wußte er nicht, daß
es sein letztes sein würde, haben wir einen Bericht, den ich hier wiedergeben möchte.
“Die Bescherung der Vielen Kinder ist gesichert!”

Dann kam die Weihnacht! Ja, es war schön, einfach herrlich. Schon in der Mitternachtsmette konnte man am Beten und Singen der Kinder merken, daß sie ganz dabei sind und die Weihnachtsfreude und Weihnachtsseligkeit der Kinder Herz erfüllte. Die Weihnachtskommunion wurde für die Wohltäter
aufgeopfert, wie auch das heilige Opfer für Euch und Eure Lieben und Eure Anliegen dargebracht
wurden. Dann ging es zum Speisesaal, wo Krippe und Christbaum im Lichterglanz erstrahlten. Ringsum an den Wänden waren Christkinds Gaben aufgestellt. Ein inniges Gebet für die Wohltäter, und Kinderaugen strahlten, als jedes seine Weihnachtsgabe erhielt. Unsere guten Mitglieder und Wohltäter der Kinder hatten gesorgt, daß alle – und das war die Hauptsache – etwas Praktisches, Nützliches vom Christkind erhielten. Der Weihnachtsteller fehlte auch nicht, und auch die kleinen Leckermäulchen kamen auf ihre Rechnung.

War das ein Jubel und eine Freude und eine Plage für den “Klausenonkel", bis er alles gesehen und betrachtet hatte -diese schöne Puppe, dort das Schaukelpferd, diesen Baukasten, dort den Rennwagen.
Und gar den Bauernhof, die Puppenstube, den Kaufladen, die Karussells, den großen Teddybär. Ja, liebe Mitglieder, ich hätte nur gewünscht, Ihr hättet diese weihnachtsselige Kinderschar auch nur einen Augenblick sehen können. Es wäre Euch gewiß schon ein schöner Dank für Eure Weihnachtsopfer gewesen. Groß war der Kinder Freude, aber auch ganz herrlich der Kinder Dankgebet in der zweiten Weihnachtsmesse, die eigens als Dankmesse gefeiert wurde. Ich meine immer, Ihr müßtet der Kinder Beten spüren und sicher hat der Kinder Flehen auch Euch Weihnachtsfreude und Weihnachtsgnade vom Christkind erbetet. Es war aber auch ergreifend, wie die Tage vor dem Hochfest das Christkind - oft noch in letzter Stunde - gerade das brachte, was noch fehlte.

Ja, das Christkind hat seine armen Brüderlein und Schwesterlein nicht vergessen. Lob und Dank dafür!
Dank, herzlichen Dank aber auch Euch allen, die Getreuen, die Ihr in Christkinds Namen und um des Christkinds willen diesen Ärmsten der Armen wieder geholfen habt. Tausendmal vergelt's Gott dafür!

Am Heiligen Abend im Jahre 1971 starb P. Lothar Nufer gegen 12.00 Uhr. Der Nachfolger war Pater Cornelius bis
1991.


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Urheberrecht und dürfen ohne meine Zustimmung nicht
anderweitig veröffentlicht werden.
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